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Abwrackprämie für RWEs Braunkohle – Milliardengrab für Stromkunden und Steuerzahler

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Abwrackprämie für RWEs Braunkohle – Milliardengrab für Stromkunden und Steuerzahler

Am 1. Juli einigte sich die Große Koalition darauf, statt dem vorgeschlagenen Klimabeitrag eine Kapazitätsreserve einzuführen. Die Finanzmärkte sahen dies als einen Erfolg für RWE: die Aktienkurse stiegen unmittelbar nach Verkündigung der Einigung um 6.4%.[1] Anstatt für den Betrieb seiner ältesten und ineffizientesten Braunkohlekraftwerke zu bezahlen, kann RWE sich nun auf einen Zuschuss von etwa €130 Millionen jährlich von den deutschen Steuerzahlern freuen.

Sollte die Kapazitätsgrenze wie geplant kommen, würde RWE für seine Misswirtschaft und fehlgeleiteten Investitionsentscheidungen der vergangenen Jahre belohnt. Allerdings muss die Europäische Kommission zunächst prüfen, ob die Reserve mit EU-Beihilferecht konform ist. Dazu muss die Kommission auch den unternehmerischen Kurs unter die Lupe nehmen, den RWE in den letzten Jahren verfolgt hat.

Viele von RWEs alten Braunkohlekraftwerken sind schon längst nicht mehr profitabel. Trotz des Sparkurses der letzten Jahre hat sich das Unternehmen konsequent geweigert, diese Kraftwerksblöcke zu schließen. Eine neue Analyse des klima- und energiepolitischen Think Tanks E3G – Third Generation Environmentalism kommt zu dem Schluss, dass RWE unprofitable Braunkohlekraftwerke weiter betrieben haben könnte, um einen Bailout aus öffentlicher Hand einzustreichen. Mit der Kapazitätsreserve wäre dieses Ziel erreicht.

Massive Verluste durch ein emissionsintensives Geschäftsmodell

Viele von RWEs alten Braunkohlekraftwerken rechnen sich längst nicht mehr. Wie aus einer RWE-Präsentation aus diesem Jahr hervorgeht, ist der gesamte konventionelle Kraftwerkspark des Unternehmens „cash flow neutral“. Dies bedeutet, dass die Erträge aus der Stromproduktion die laufenden Kosten gerade einmal decken.[2] Mit dem konventionellen Kraftwerkspark macht RWE also derzeit kein Geld.

Wie RWE-Chef Peter Terium anlässlich der Veröffentlichung des diesjährigen Geschäftsberichts bekannt gab, sind aktuell 35 bis 45% der RWE-Kraftwerke unprofitabel.[3] Braunkohle wird gerne als der einzige sichere und profitable Energieträger dargestellt wird, den Deutschland nach dem Atomausstieg übrig hat. Doch laut RWE-Zahlen gehören viele der alten Braunkohlekraftwerke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu den unprofitablen RWE-Anlagen.

Laut dem Vorstandvorsitzenden von RWE Generation hatten RWEs 300MW Braunkohleblöcke, von denen das Unternehmen gegenwärtig 11 betreibt, bereits 2013 „massive Schwierigkeiten, ihre Vollkosten zu verdienen“.[4] Damals war der Strompreis mit €38/MWh allerdings noch um 16% höher als heute – unter aktuellen Marktbedingungen sind diese Blöcke nahezu sicher unprofitabel. Grund ist der niedrige Wirkungsgrad dieser Anlagen, die alle über 40 Jahre alt sind.

Alter und Betreiber deutscher Braunkohleblöcke

Quelle: BnetzA Kraftwerksliste

Eine Studie von Lazard, einer amerikanischen Investment Bank, nimmt Stellung zu den potentiellen Auswirkungen des Klimabeitrags auf die deutsche Braunkohlewirtschaft. Die Analyse mit Daten der Kraftwerksbetreiber RWE, Vattenfall und MIBRAG zeigt, dass die ältesten RWE-Braunkohleblöcke in Niederaußem, Weisweiler und Frimmersdorf mit größter Wahrscheinlichkeit unprofitabel sind.[5] Eine Schätzung von E3G auf Basis dieser Daten ergibt, dass die Stromgestehungskosten dieser Blöcke zwischen €27 und €43/MWh liegen. Die breite Spanne dieser Schätzung ergibt sich daraus, dass RWE in seinen Angaben nicht zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren fixen Brennstoffkosten unterscheidet. Verglichen mit einem aktuellen Strommarktpreis (und Forward-Preis bis 2020) von €32/MWh ist jedoch ersichtlich, dass diese Braunkohleblöcke bestenfalls am Rande der Rentabilität operieren.

Profitabilität der ältesten RWE-Blöcke

Quelle: Berechnungen von E3G

Aus Daten zu planmäßigen Stilllegungen von RWE-Kraftwerksblöcken für Wartungsarbeiten geht außerdem hervor, dass dieses Jahr 4 der ältesten Braunkohleblöcke des Unternehmens mit 5-6 Wochen außergewöhnlich lange vom Netz genommen werden.[6] Dies impliziert, dass viel Wartungsarbeit mit entsprechend hohem Kapitalaufwand nötig ist, um die Betriebsgenehmigung überhaupt noch aufrechtzuerhalten.

RWE hatte 2013 angekündigt, nur noch selektiv investieren zu wollen.[7] Dies geschah vor dem Hintergrund des schlechtesten Betriebsergebnisses in der Konzerngeschichte, das RWE in diesem Jahr eingefahren hatte. Dies würde normalerweise bedeuten, dass keine Investitionen mehr in Anlagen getätigt werden, die sich nicht mehr rechnen. Tatsächlich hat RWE in den letzten Jahren ein einschneidendes Sparprogramm verfolgt. Die alten Braunkohlekraftwerke des Unternehmens sind davon aber anscheinend ausgenommen. Bis 2016 will RWE über 8GW an Kraftwerkskapazität schließen.[8] Aus RWEs Braunkohleportfolio sind davon allerdings nur 150MW in Goldenberg betroffen, wo die beiden kleinsten Braunkohleblöcke des Unternehmens dieses Jahr endgültig stillgelegt werden sollen. Gleichzeitig wurden über 3.7GW an sehr effizienteren Gaskraftwerken geschlossen.

Alte Braunkohleblöcke als Druckmittel

RWE war über die letzten Jahre zu hohen Investitionen bereit, um seine überalterten und ineffizienten Braunkohleblöcke am Leben zu erhalten – und das trotz der schlechten Marktaussichten für Braunkohle in Deutschland und Europa. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es daher überraschend, dass das Unternehmen nicht auch in seinem Braunkohleportfolio erhebliche Kürzungen vorgenommen hat.

Mit der Eckpunktevereinbarung der Großen Koalition vom 1. Juli scheint sich diese Strategie im Rückblick zumindest teilweise ausgezahlt zu haben. RWE hat erfolgreich darauf gesetzt, dass die Politik bereit sein würde, potentielle Arbeitsplatzverluste durch Subventionen abzuwenden. RWE erfüllt eine wichtige systemische Funktion besonders für die nordrhein-westfälische Wirtschaft. Viele Zulieferer in der Region sind von dem Unternehmen abhängig, und an RWEs Tagebauen und Braunkohlekraftwerken hängen Arbeitsplätze. Dies hat es dem Unternehmen ermöglicht, gemeinsam mit der IG BCE und Landespolitikern einen Frontalangriff auf den von Energieminister Sigmar Gabriel vorgeschlagenen Klimabeitrag zu starten.

Der Klimabeitrag – eine Verpflichtung zur Emissionsreduktion für alte Kraftwerke mit Strafzahlungen für die Überschreitung von Emissionsgrenzwerten – wurde damit erfolgreich gekippt. Nun werden die Kraftwerksbetreiber über die Kapazitätsreserve mit öffentlichen Mitteln dafür bezahlt, schrittweise die längst überfälligen Kraftwerksschließungen vorzunehmen. RWE ist der größte Gewinner dieser Entscheidung. Laut dem DIW werden RWE-Braunkohlekraftwerke vermutlich 1.5GW der insgesamt 2.7GW-großen Reserve aufbringen.

Laut Sigmar Gabriel werden sich die Kapazitätszahlungen im Zeitraum 2017-2020 auf €230 Millionen jährlich belaufen.[9] Wenn man annimmt, dass diese Gelder proportional zur bereitgestellten Kapazität zugeteilt werden, wird RWE rund €130 Mio. jährlich aus deutschen Steuergeldern erhalten. Die beläuft sich auf ca. 13% des Betriebsergebnisses von RWEs gesamtem konventionellen Kraftwerkspark im Jahr 2014[10] und ist daher alles andere als trivial. Insgesamt könnte RWE also €511 Mio. in Kapazitätszahlungen einstreichen. Dazu wird erwartet, dass das Instrument durch höhere Strompreise jährlich ca. €500 Mio. Mehrkosten für Verbraucher verursachen wird.[11]

Konformität mit EU-Beihilferecht noch ungeklärt

In ganz Europa klagen Energiekonzerne über Gewinnverluste, die aber vorrangig auf die Wirtschaftskrise, auf strukturelle Überkapazitäten und fehlgeleiterte Investitionsentscheidungen zurückgehen. RWE war einer der stärksten Verfechter staatlicher Zuwendungen, die typischerweise mit Sorgen über die Versorgungssicherheit begründet wurden. Kapazitätsmechanismen waren da ein geeignetes Feigenblatt, das staatliche Subventionen an Energiekonzerne als Beitrag zur Versorgungssicherheit erscheinen lässt. Dies widerspricht allerdings den Beihilferegelungen der Europäischen Kommission, die negative Auswirkungen solcher Maßnahmen auf den europäischen Binnenmarkt einschränken sollen.

Erst im April hatte die Kommission eine Untersuchung zu Kapazitätsmechanismen im Energiesektor in 11 EU-Mitgliedstaaten verkündet.[12] Hierdurch soll angesichts steigender Integration der Strommärkte sichergestellt werden, dass der Wettbewerb im Energiebinnenmarkt nicht verzerrt wird. Die Bundesregierung hat diesbezüglich im Eckpunktepapier vom 1. Juli ausdrücklich anerkannt, dass noch zu klären gilt, „wie die konkrete Umsetzung [der Kapazitätsreserve] beihilferechtskonform ausgestaltet werden kann.“[13]

Als Hüterin der Verträge und Wächterin über den Binnenmarkt wird die Kommission jetzt nicht nur den Vorschlag der Bundesregierung bewerten, sondern auch die Unternehmens- und Lobbyingstrategie von RWE unter die Lupe nehmen müssen. Denn wie die Kommission selbst erklärt:

“In liberalised markets, investments are not guaranteed by the State. Only where there is a real threat to generation adequacy and security of supply as a result of closure or mothballing does the financial viability of existing plants become a matter of public concern. It is very important that there should not be state support to compensate operators for lost income or bad investment decisions.” [14]

Es scheint ganz so, als ob die Kapazitätsreserve vorrangig dazu dienen wird, RWE vor dem Scheitern seiner Unternehmensstrategie zu bewahren. Dabei ist es aber nicht die Schuld von Steuerzahlern oder Stromkunden, dass RWE sich jahrelang in seiner Geschäftsstrategie verkalkuliert. Dies ist keine sinnvolle Verwendung von öffentlichen Geldern. RWE sollte sich nicht zu früh freuen.

Diese Seite auf Englisch

Referenzen

[1] http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-07-02/germany-to-close-coal-plants-in-effort-to-curb-pollution

[2] http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/en/649048/data/2495606/92/rwe/investor-relations/presentations-videos/presentations/RWE-company-presentation-Paving-the-way-for-growth-with-continued-focus-on-financial-discipline-2015-03-23.pdf

[3] http://www.wsj.com/articles/rwe-plans-further-cost-cuts-1425968788

[4] http://www.ingenieur.de/Branchen/Energiewirtschaft/Unrentabel-RWE-ueberprueft-Kraftwerk

[5]Lazard (2015) Potentielle Auswirkungen des “Nationalen Klimaschutzbeitrags” auf die Braunkohlewirtschaft

[6] http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/en/694112/data/59788/208/transparency-drive/germany/power-unit-failure-and-reduced-output/planned-power-reductions/Geplante-ML-aktuelles-Jahr-Stand-24.06.2015.pdf

[7] Folie 12 http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/en/2076594/data/2300728/1/rwe/investor-relations/events/roadshows-and-conferences/2013/RWE-company-presentation-Steps-to-long-term-value-2013-08-14.pdf

[8] Folie 9 http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/en/649048/data/2495606/92/rwe/investor-relations/presentations-videos/presentations/RWE-company-presentation-Paving-the-way-for-growth-with-continued-focus-on-financial-discipline-2015-03-23.pdf

[9] http://uk.reuters.com/article/2015/07/02/germany-energy-reserve-idUKB4N0Z800620150702

[10] Dies ist vor Abzug der laufenden Kosten.

[11] http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Stellungsnahme-Ein-neues-Klimaschutzinstrument-fuer-den-Stromsektor.pdf

[12] http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-4892_de.htm

[13] Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende- Politische Vereinbarungen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 1. Juli 2015

[14] European Commission, 2013. SWD(2013) 438 final, p10

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