Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat vor wenigen Tagen einen “Quantensprung” verkündet. Ab 2022 will die weltweit größte öffentliche Förderbank keine fossilen Energieprojekte mehr finanzieren. Stattdessen wird sie ein ambitioniertes Investitionsprogramm für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und grüne Innovation vorlegen, auf dessen Basis bis zum Jahr 2030 eine Billion Euro in Klimaschutz und umweltverträgliche Projekte investiert werden sollen.
Deutschland schließt sich Unterstützern in letzter Sekunde an
Mit den neuen Vergaberichtlinien für Energieprojekte ermöglicht der EIB-Vorsitzende Werner Hoyer der künftigen EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ihr Dienstversprechen einzuhalten: sie hatte zugesagt, die EIB in eine Klimabank umzubauen, die den Übergang Europas zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft mitfinanziert.
Nach 11-stündigen Verhandlungen unterstützte überraschend auch Deutschland den Kompromiss des Verwaltungsrats. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte sich bis zuletzt für Ausnahmen bei der Finanzierung von Erdgasprojekten eingesetzt und somit eine ambitionierte Position der Bundesregierung verhindert. Daher stellt sich die Frage: Hat sich das federführende Finanzministerium durchgesetzt oder war die deutsche Zustimmung nur durch neue Schlupflöcher in den Vergaberichtlinien möglich? Was muss noch getan werden, um die EIB in eine echte Klimabank umzubauen?
Neuer Maßstab trotz Schlupflöchern beim Ausschluss von Erdgas
Klar ist, dass die Vergaberichtlinie einen neuen internationalen Maßstab setzt. Ab 2022 werden weitgehend keine fossilen Energieträger mehr unterstützt. Damit adressiert erstmals eine Bank in ihrer Kreditvergabe, dass neue Gasinfrastruktur nicht Teil einer klimapolitischen Lösung ist, sondern vielmehr ein finanzielles Risiko darstellt, da saubere Technologien zunehmend Wettbewerbsdruck ausüben. Jedoch wurden bei der politischen Einigung relevante Schlupflöcher in die Vergaberichtlinien “hineinverhandelt”.
Erstens tritt das Aus für alle fossilen Energieträger entgegen dem ursprünglichen Entwurf erst ein Jahr später, ab 2022, in Kraft. Bis dahin können ausgewählte Gasprojekte noch finanziert werden. Dazu gehören mehr als 50, als “im allgemeinen Interesse” deklarierte, Projekte auf einer von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Liste, falls dafür weitere EU-Finanzierungsquellen gefunden werden. Diese Liste muss jedoch vom europäischen Parlament nächstes Jahr noch bestätigt werden. Weiterhin gehören dazu Projekte, die bereits im Auswahlverfahren der EIB sind. Zweitens bezieht sich der neue Emissionsstandard für Kraftwerke (250g CO2 Ausstoß pro Kilowattstunde) auf die gesamte Lebensdauer anstatt Betriebsbeginn. Es ist bisher unklar, wie sichergestellt werden soll, dass dieser Standard auch eingehalten wird. Drittens lässt die Richtlinie Ausnahmen für die Modernisierung von Gasnetzwerken zu, um erneuerbare Gase einspeisen zu können. Wann und wie diese Einspeisung stattfindet und wie nachhaltig diese Gase sind, bleibt noch offen.
Klimapolitisch konsequente Umsetzung ist das A und O
Um den Quantensprung hin zur Klimabank zu gewährleisten, muss die EIB auch bis Ende 2021 alle Investitionen in Gasprojekte hinsichtlich des tatsächlichen Gasbedarfs und klimapolitischer Zielsetzungen bewerten. EU-Kommission und Mitgliedsstaaten können sicherstellen, dass der gesamte EU-Haushalt nicht den klimapolitischen Zielen entgegensteht. Das EU-Parlament hat es nun in der Hand, Gasprojekte nicht mehr als “im allgemeinen Interesse” zu deklarieren. Die EIB selbst muss zudem sicherstellen, dass Verstöße gegen den neuen Emissionsstandard finanziell geahndet werden. Bei Investitionen in Infrastruktur für erneuerbare Gase muss die EIB zudem darauf achten, dass Finanzierung nur dort zur Verfügung gestellt wird, wo erneuerbare Gase notwendig sind und letztendlich auch eingesetzt werden – denn nachhaltig produziertes, erneuerbares Gas ist ein knappes und teures Gut. Darüber hinaus überarbeitet die EIB nächstes Jahr auch ihre Klimastrategie. Dort sollte verankert werden, dass alle Emissionen entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. So fallen etwa beim Einsatz von Erdgas zusammen mit Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) weiterhin Treibhausgase wie Methan an.
Signalwirkung für nachhaltige Finanzmärkte und europäischen Klimaschutz
Die neue Vergaberichtlinie der EIB ist ein großer Erfolg auf dem Weg hin zur Treibhausgasneutralität in Europa und zu nachhaltigen Finanzmärkten – letztendlich auch mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung. Ursula von der Leyen und Olaf Scholz können dieses Signal nun weitertragen: etwa bei den Verhandlungen über die EU-Nachhaltigkeitstaxonomie und im Beirat für Sustainable Finance, der im Januar einen Zwischenbericht vorlegen wird. Auch bei der Überarbeitung europäischer Gasmarktregeln und Infrastrukturprioritäten müssen finanzielle Nachhaltigkeit und Klimaschutz mitgedacht werden. Zudem ist die EIB nun unangefochtener Maßstab für alle öffentlichen Förder- und Entwicklungsbanken.
Die Entscheidung zeigt klar: Erdgas ist keine sichere Geldanlage und Neuinvestitionen sind kaum mit dem Pariser Klimaabkommen zu vereinbaren. Nicht zuletzt gewährleistet die Richtlinie, wenn die Schlupflöcher geschlossen werden, auch dringend notwendige Planungssicherheit. Denn auch für Beschäftigte in der Erdgasindustrie müssen ein gerechter Übergang sichergestellt und zukunftsfähige Jobs in grünen Wachstumsmärkten geschaffen werden.