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Klimapäckchen statt großer Wurf – die Bundesregierung muss erheblich nachbessern

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Klimapäckchen statt großer Wurf – die Bundesregierung muss erheblich nachbessern

Die Klimakrise ist im Zentrum der politischen Debatten in Deutschland angekommen. Massive Klimaproteste und die bereits spürbaren Folgen und Kosten des Klimawandels geben nur einen Vorgeschmack auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Trotz des enttäuschenden Klimapakets besteht immer noch die Chance, eine klare und mutige Klimapolitik zu beschließen, die die nötige Transformation hin zur Klimaneutralität bis spätestens 2050 auf den Weg bringt und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland wahrt sowie finanzielle Risiken reduziert. Bisher ist die Große Koalition jedoch an ihrem eigenen Anspruch, einen „großen Wurf” vorzulegen, gescheitert, wie sich exemplarisch an den energiepolitischen Maßnahmen des Klimapakets zeigt.

So ist bereits klar, dass die vorgelegten Maßnahmen für die Erreichung des wichtigen Zieles von 65 Prozent Erneuerbaren Energien bis 2030 nicht ausreichend sind. Damit zeigt sich auch im Energiebereich das Grundproblem eines politischen Ansatzes, der über den kleinsten gemeinsamen Nenner nicht hinauskommt und daher den notwendigen großen Wurf nicht liefern kann.

Dabei sind einige der Maßnahmen durchaus als Fortschritte anzusehen, beispielsweise die Abschaffung des „Solardeckels“ oder die Erhöhung der Ausbauziele für Wind und Solar. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird aber gleich zweifach untergraben – einerseits durch direkte Blockademaßnahmen, wie der Einführung eines 1000-Meter Mindestabstands für Windanlagen an Land, andererseits durch das Fehlen struktureller Maßnahmen, um etwa die Probleme beim Netzausbau anzugehen. Zweifelsohne keine einfache Aufgabe – aber eine, die dringend gelöst werden muss. Hierfür braucht es eine Leitidee, Innovationsfreude und ein kohärentes Gesamtpaket. All das lässt das Klimapaket bisher vermissen.

Dies zeigt sich auch beim Kohleausstieg: So sollte die Erklärung der Bundesregierung, bis November die komplette Gesetzgebung hierfür auf den Weg zu bringen, eigentlich keine Erwähnung wert sein – wurde der Kohleausstieg doch bereits im Januar von der Kohlekommission vorgezeichnet. Bisher wurde allerdings nur der Gesetzesentwurf zur Begleitung des Strukturwandels vorgelegt. Beim Kohleausstiegsgesetz fehlt noch der entscheidende Teil zur Braunkohle. Dabei müssen ein gerechter Strukturwandel und ambitionierte Klimapolitik zusammen gedacht werden. Um mit den Pariser Klimazielen vereinbar zu sein, müsste der Kohleausstieg zudem vor 2038 umgesetzt und eine weitgehende Umstellung von Kohle zu erneuerbaren Energien – nicht zu fossilem Gas – angepeilt werden.

Die Notwendigkeit all dieser Schritte ergibt sich nicht nur aus nationalen Überlegungen, sondern auch aus der internationalen Erwartungshaltung. Deutschland wird im wichtigen Klimajahr 2020 während der Klimakonferenz in Glasgow und dem hochrangigen EU-China Gipfel die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, und muss in einer zunehmend instabilen geopolitischen Lage mehr internationale Verantwortung übernehmen, insbesondere auch beim Kampf gegen den Klimawandel. Eine solche internationale Führungsrolle muss mit den entsprechenden nationalen Maßnahmen unterfüttert sein, wie E3G in einer Analyse dargelegt hat. Darüber hinaus beobachten viele Länder sehr genau, wie in Deutschland Klima- und Energiepolitik sowie ein gerechter Strukturwandel geplant und umgesetzt werden. Die tschechische Regierung hat beispielsweise kürzlich eine Kohlekommission nach dem deutschen Vorbild eingerichtet.

Aus all diesen Gründen braucht Deutschland dringend ein Klimapaket, das seine Vorreiterrolle tatsächlich untermauert. Die Große Koalition muss national liefern, damit Merkel als „Klimakanzlerin” international wieder glänzen kann. Dies gilt insbesondere auch für die energiepolitischen Maßnahmen. Daher sind mögliche Nachbesserungen beim Klimapaket, etwa durch Bundestag, Bundesrat oder durch die Bundesregierung selbst, unumgänglich. Hier müssen sowohl die konkreten Maßnahmen, zum Beispiel für den Ausbau der Erneuerbarer Energien, nachgebessert, als auch mit einem Klimaschutzgesetz eine effektive und kohärente Architektur für die Energie- und Klimapolitik eingeführt werden.

Ursprünglich veröffentlicht bei Energate.

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